Deutschland
Postleitzahl: 85 290
Vorwahl: 0 84 52

Künstler Bürgerfest
Geisenfeld-Online


"Kuck mal Mama ..., Ritter!"

Neue Pläne und alte Geschichten der Keltengruppe "Gabro Agrani"

Julian Knapp in "Der Geisenfelder" vom 5. Dezember 2006
Fotos : Miek Michielsen

Florian Schweigers Begeisterung für Relikte und das Leben längst vergangener Zeiten hat er vom Großvater geerbt. Der Opa aus Manching ist Jäger, einer mit wachem Auge, der aus dem Wald manchmal ein paar Fundstücke mitbrachte. Dann erzählte und fabulierte er mit leuchtenden Augen und konnte Geschichten erzählen, die er von unauffälligen Gegenständen, wie einer Tonscherbe oder einem Stück Knochen, abzulesen schien. Für den Enkel eröffnete sich eine Welt voller Rätsel und Abenteuer, mit der er auch in der Grundschule in Kontakt gelangte. Da Florian in Geisenfeld aufgewachsen ist, hatte er auch im Heimat- und Sachkundeunterricht schon von den Kelten gehört.

Ja, wer in der Gegend von Geisenfeld oder Manching groß wird, der erfährt eben schon zu Schulzeiten von dieser spannenden Epoche: Die Funde und Ausgrabungen in der ehemaligen Keltensiedlung Manchings sind schließlich die bedeutendsten Europas, und das große Gräberhügelfeld im Wald bei Geisenfeld ist sogar noch älter und reicht bis in die Bronzezeit zurück (von etwa 3000 vor Christus bis 1000 vor Christus). In solcher Umgebung aufzuwachsen kann inspirierend sein und bei Jugendlichen ein Interesse am Historischen wachrufen, wie es dem Geschichtslehrer nur selten gelingt.

In Geisenfeld jedenfalls gibt es eine Gruppe von insgesamt elf jungen Leute, deren Leidenschaft den Kelten gilt: "Gabro Agrani" nennen sie sich, was so viel wie "Die aus Ziegenacker" bedeutet und sich scherzhaft vom Ortsnamen ihrer Heimatgemeinde ableiten lässt.
Zur Gründung führte ebenfalls eine Art Witz, als Florian Schweiger gemeinsam mit seinem Freund Alois Heidersberger über die vielen Schottenrock-Träger auf dem Open-Air-Festival "Rock im Park" sinnierte. Sie selbst würden, nur als echte Kelten in karierten Hosen auflaufen. Gesagt, getan - und so war ein erster Schritt in Richtung Keltenleben getan. Angeheizt wurde ihre Begeisterung dann noch durch ein bis ins Detail inszeniertes Ritteressen und schließlich entstand die Idee, eine Reenactment-Gruppe zu gründen.

Reenactment heißt übersetzt Wiederholung, und das verrät schon relativ viel über die Zielsetzung solcher Gruppen. Möglichst authentisch wollen sie Lebensbedingungen und Arbeitsweisen bestimmter Epochen nachstellen, also quasi wiederholen. Dabei sollen beispielsweise die Kostüme nicht nur originalgetreu wirken, sondern sie werden auch mit demselben Material und denselben Werkzeugen wie vor zweieinhalbtausend Jahren hergestellt. So versuchen die Keltenfreunde sich hineinzufühlen in diese Zeit und so vielleicht der ein oder anderen Erkenntnis über dieses sagenumwobene Volk näher zu kommen.
Vieles über das Leben der Kelten nämlich liegt bis heute im Dunkeln. Es gibt so gut wie keine schriftlichen Zeugnisse der Kelten selbst, da sie all ihr Wissen mündlich überlieferten.

Eine der wichtigsten Quellen ist Julius Cäsars "De bello gallico" (Der Gallische Krieg). "Dieses Werk ist natürlich stark eingefärbt und aus Sicht des Römischen Imperiums geschrieben", unterstreicht Florian. Trotzdem haben fast alle Mitglieder das Werk gelesen, sich durchgekämpft, einfach aus Begeisterung für die Kelten. "Am Anfang ist das schwer zu lesen. Aber man kommt rein, und es ist schon faszinierend, Original-Zeugnisse aus dieser Zeit zu haben", meint Robert Meier, ebenfalls Gründungsmitglied von "Gabro Agrani".
Detailtreue, Geschichtsbewusstsein und keinesfalls Prahlerei oder bloße Mystifizierung der Kelten - an solchen Richtlinien orientiert sich die Gruppe. Sie ist dabei nicht zu verwechseln mit den zahlreichen Mittelalter-Gruppen, die in den letzten Jahren bei Jugendlichen immer beliebter wurden.

Diese respektieren Florian und Robert natürlich, aber deren gelegentliche Gleichgültigkeit gegenüber historischen Details überrascht sie doch manchmal. "Wenn ich da einen Kreuzritter sehe und der hat einen Thorhammer umhängen, was eben zwei völlig verschiedene Sachen sind, also, das geht bei uns nicht." Ein Thorhammer schafft natürlich Eindruck, so wie schwarzes Leder zunächst vielleicht irgendwie lässiger wirkt. Von dem hatte sich Florian für geplante Kleider und Schuhe einen ganzen Vorrat zugelegt. Als er jedoch feststellte, dass die Kelten schwarzes Leder gar nicht kannten, sondern es naturbelassen verwendeten oder in den vorhandenen Erdtönen färbten, besorgte er sich neues, passenderes Leder.

Derartiges Fachwissen tauscht die Gruppe unter anderem bei den großen Treffen im Keltendorf "Gabreta" aus. Es liegt am Rande des Bayrischen Waldes bei Freyung und ist original im keltischen Stil aufgebaut worden - mit Schmiede, Grabhügel, Herrenhaus, Stall, Kräutergarten, Töpferei und Backofen. Hier treffen sich die verschiedenen Reenactment-Gruppen zu den großen vier Keltenfesten des Jahres, die sich nach den Mondphasen und Jahreszeiten richten. Für alle keltischen Feste finden sich Entsprechungen in den christlichen Feiertagen unserer Zeit: Imbolc (Lichtmess), Beltaine (1. Mai, Walpurgisnacht), Lugnasad (Mariä Himmelfahrt) und der bekannteste Feiertag Samhain, der bei uns heute Allerheiligen entspricht, quasi das keltische Sylvester darstellt und auf den auch Halloween zurückgehen soll.

An diesen Feiertagen sind die Kelten aber erst spät nachts so richtig unter sich. Untertags kommen jede Menge Besucher in den Kelten-Erlebnispark und bestaunen die jungen Kelten. "Da kommt man sich manchmal schon wie im Zoo vor. Einer der Sprüche, an die ich mich erinnere, kam von einem kleinen Kind: ‚Guck mal Mama, die Ritter.' Gut war auch die Frage: ‚Ist das Feuer echt, und esst ihr das, was da draufliegt?'"
Das Essen wird ebenfalls original keltisch zubereitet und wieder muss aufs Detail geachtet werden. Die Lagerfeuergerichte der Kelten unterscheiden sich erheblich von heute typischer Zeltlagerkost: Kartoffeln sind streng verboten, denn sie wurden erst nach der Entdeckung Amerikas nach Europa eingeführt. Mit Linsen und Saubohnen, Gemüse, Rind oder Schweinefleisch lässt sich aber so einiges zaubern. Eintöpfe waren die häufigsten Gerichte der Kelten - "und unsere Frauen haben da ein Gespür, die können wirklich ganz leckere Speisen mit so einfachen Zutaten zaubern."

Ganz so leicht und locker ist das Keltenleben aber auch nicht immer. Das Nähen von Ledergamaschen und Beuteln war für Florian anfangs eine echte Geduldsprobe. Mittlerweile aber beherrscht er den Sattler-Stich immer besser, und auf die Gürteltasche, die er seiner ebenfalls keltenbegeisterten Frau Tina kürzlich nähte, ist er richtig stolz.
Florians Keltenausrüstung unter dem Dach - in einem ehemaligen Hopfenboden des elterlichen Hofes - ist bereits zur wahren Schatzkammer geworden. Doch es soll weitergehen. Vor allem ihr Wissen wollen "Gabro Agrani" weiter vermehren, betont Robert Meier. "Das ist einer der Gründe, warum wir in die einzigen Keltenvereinigung Europas, der Gabreta Wenia, aufgenommen worden sind. Die haben eine tolle Internetplattform und dort sowie auf unseren Treffen können wir unsere Erfahrungen austauschen und offene Fragen ansprechen. Da lernt man viel dazu." (www.gabretawenia.com)

Das erlernte Wissen weiterzugeben und zu vermehren, ist eines der Hauptziele der Gruppe. Dazu wollen sie kommendes Jahr v.a. auf die jüngste Generation zugehen. So können sie sich vorstellen, an Schulen heranzutreten und - passend zum Stoffplan im Heimat- und Sachkundeunterricht - sich und ihre Kenntnisse einzubringen.
Eltern müssen sich übrigens nicht sorgen, dass ihre Kinder irgendwann als baumknutschende Esoteriker mit Hang zu Natur-Energien heimkehren. Damit hat "Gabro Agrani" nichts am Hut. "Natürlich fühle ich mich der Natur näher als früher, und die Keltenlager finde ich sehr entspannt und viel weniger hektisch als den Alltag", sagt Florian. Doch zum Spiritualismus neigt er deswegen bestimmt nicht.

Seine Leidenschaft entzündete sich ja an einfachen, handfesten Fundstücken aus dem Wald, quasi an Tatsachen. Die religiöse, spirituelle Welt der Kelten liegt im Dunkeln. Ganz bewusst, so sah es Cäsar, überlieferten die Druiden ihr Wissen ausschließlich mündlich und an vertraute Personen. Damit ging es verloren und erscheint heute umso rätselhafter. "Gabro Agrani" beschäftigt sich mit dem fundierten Wissen über die Kelten, und das gilt es ihnen zu vermehren.

Jeder Interessierte ist bei "Gabro Agrani" willkommen. Einfach an Florian Schweiger wenden (flo1328@nexgo.de)


Gabroagrani

"die aus Geisenfeld kommenden" :
junge Keltengruppe aus Manching und Geisenfeld

Kontakt :
Florian Schweiger
Vohburgerstr. 9
85290 Geisenfeld
08452/9726

Bereits im Jahr 2004 begann sich aus einem Freundeskreis heraus, eine Gruppe zusammenzuschließen, die sich besonders für die Frühgeschichte und das Leben unserer Vorfahren in unserer Region begeisterte.

Anfang 2006 entstand daraus die Keltengruppe Gabroagrani aus dem Land der Vindeliker.
Unser Name Gabroagrani leitet sich aus dem Kosenamen unserer schönen Stadt Geisenfeld her, der bei den Nachbarortschaften liebevoll Ziegenacker genannt wird. Ziege = Gabro und Acker oder Ackerbau = Agran. Nachzuschlagen im "Kleinen Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs".

Wir sind Frauen und Männer, die sich mit alten Handwerkskünsten (z.B. Lederverarbeitung, Herstellen von Schildern, Bogen, Pfeilen, Brettchenweben…), geschichtlicher Überlieferung, dem Brauchtum und dem Leben der Kelten befassen und dies auch mit befreundeten Gruppen ausleben.

Wir versuchen Gegenstände sowohl reproduzierend als auch replizierend herzustellen. Es ist zwar vieles aus der Zeit bekannt, doch eben nicht alles. Austauschende Gespräche mit anderen Gruppen sind für uns sehr wichtig und hilfreich für jeden, denn man lernt nie aus…

Durch die Nähe unseres Wohnortes Geisenfeld zum Oppidum Manching (einige Mitglieder stammen selbst aus Manching oder haben dort nähere Verwandte), war dies ein weiterer Grund, uns intensiv mit der Geschichte der Kelten zu befassen.

Das Oppidum ist eines der bedeutendsten Funde aus der Zeit der Kelten, weshalb wir uns auch sehr über die Museumseröffnung im Juni 2006 freuen.

Florovicus von Gabroagrani


Speerkampf und die Kunst des Brettchenwebens

GZ, 23. Juni 2006 : Ellen Kellerer
Bilder : Miek Michielsen und Ellen Kellerer

Ihr Debüt gab sie beim Geisenfelder Bürgerfest, da war sie eine der Gruppen, die mit Zelt und Feuerstelle den Khan-Garten besiedelten und von zahlreichen Besuchern bestaunt wurden: Die Rede ist von der Keltenformation ,,Gabroagrani", übersetzt aus dem keltischen für Ziegenacker – was nichts anderes als der Kosename für Geisenfeld ist. Zusammengefunden hat sich diese so genannte Reenactment-Gruppe, die Geschichtliches versucht so authentisch wie möglich darzustellen, in diesem Frühjahr: elf junge Leute aus dem Geisenfelder und Mainburger Raum, die Spaß daran haben, die Geschichte ihrer Vorfahren wieder aufleben zu lassen.

,,Kopf" der Truppe ist der Nöttinger Florian Schweiger, der sich vor drei Jahren zusammen mit dem Rottenegger Alois Heidersberger – ,,zum Spaß" eigentlich für den Besuch beim Rockfestival ,,Rock im Park" – karierte Wollhosen genäht hat. Aus diesem Jux heraus haben die beiden jungen Männer nachgeforscht, woher dieser ,,Look" eigentlich kommt – und waren erstaunt, dass das ,,Design karierte Wollhose" tatsächlich keltischen Ursprungs ist. Die Kelten sind ja bekanntermaßen als Urvolk in unseren Gefilden beheimatet.
Bei Schritt zwei, einem gemeinsamen Ritteressen, fanden Schweiger und Heidersberger die dort gelebte Geschichte so faszinierend, dass die Idee, selbst eine Reenactment-Gruppe zu gründen, geboren war. Es dauerte noch bis Frühjahr dieses Jahres, bis schließlich die Truppe stand.

Fünf Männer und sechs Frauen im Alter zwischen 26 und 33 Jahren sind also jetzt die Formation, die sich ,,Gabroagrani" nennt. Mit keltischer Sprache und keltischem Brauch haben sich die jungen Leute intensiv befasst, und gerade ist die Truppe dabei, sich Namen für die jeweiligen Darsteller auszuwählen. Florian Schweiger, im wirklichen Leben Elektromeister, hat seinen schon gefunden: Als ,,Florovicus", übersetzt heißt das ,,Blumenkämpfer", führt er mit selbst gebautem Speer, Bogen und Schild das männliche Keltenleben vor, während dem weiblichen Part die Vorführung der Kunst des ,,Brettchenwebens", des ,,Nadelbindens" und Backens vorbehalten bleibt.

So originalgetreu wie möglich will man dabei sein – Armbanduhr und Handy sind im selbst gebauten Zelt tabu. Viel Freizeit geht für dieses aufwändige Hobby drauf, doch den jungen Leuten ist es das Wert: ,,Schließlich wollen wir das Leben unserer Vorfahren so gut wie möglich nachvollziehbar machen", meint Alois Heidersberger. Deshalb stellt ,,Gabroagrani" also Kelten dar, und nicht etwa Wikinger oder Normannen, deren Leben in anderen Gefilden von anderen Reenactment-Gruppen nachgespielt wird.

Selbstverständlich sind ,,Gabroagrani" nicht die einzige Keltengruppe, aber derzeit die einzige aus dem Holledauer Raum. Wer die Entwicklung der jungen Geisenfelder Truppe weiterverfolgen möchte, der kann die Formation als nächstes im Oktober im Keltendorf ,,Gabreta" – im Bayerischen Wald bei Freyung gelegen –besuchen. Dort wird man dann unter gleich Gesinnten wie in der Zeit von 100 bis etwa 15 vor Christus leben, zusammen mit anderen keltischen Reenactment-Gruppen aus dem südbayerischen Raum, aus Frankreich und aus Tschechien – zumindest ein ganzes Wochenende lang.


Zurück